1. Ein Riesenschwarm

    Samstags auf’m Dorf. Überall dröhnen die Benzinmäher, die Rasenkanten werden nachgestochen, Unkraut wird gezupft. Die Natur muss ja in geregelte Bahnen gelenkt werden. In manchen Gärten aber verfolgen Menschen einen anderen Ansatz. Heimische Pflanzen einfach mal wachsen lassen, mit behutsamen Eingriffen, um Vielfalt zu ermöglichen. Dort blüht es an allen Ecken. Nicht nur für Bienen verlockender als die grüne Wüste in den übrigen Gärten rundherum. Genau diesen Gedanken hatte wohl auch ein Bienenschwarm und hat sich in einem schönen Naturgarten in der Nachbarschaft an einem Holunderbusch niedergelassen. Über Umwege kam die Information darüber zu uns. Ein befreundeter Imker im Dorf hatte schon abgewunken, da er seine Bienenhaltung eher verkleinern statt vergrößern will. Also packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg.

    Im Garten angekommen, erwarteten uns interessierte Gartenbesitzer und ein riesiger Schwarm. Der saß wohl schon seit ein paar Stunden im Holunder. Netterweise auf angenehmer Arbeitshöhe. So war keine halsbrecherische Leiterakrobatik nötig. Wir besprühten ihn mit Wasser, damit die Bienen nass und schwer werden. Dadurch fliegen sie beim anschließenden Abschlagen nicht so sehr auf, sondern bleiben eher in der Kiste. Netterweise durften wir die Äste, an denen der Schwarm hing, abschneiden. Dadurch konnten wir ihn Stück für Stück vom Busch pflücken und in die bereitstehende Kiste befördern. Als wir alle Bienen vom Holunder in die Kiste verfrachtet hatten, stellten wir die Kiste ein paar Meter weiter auf die Wiese.

    Dann stand das Warten an. Wenn die Königin in der Kiste ist, beginnen die Bienen am Eingang zu sterzeln. Dabei halten sie ihr Hinterteil in die Luft und schlagen mit dem Flügeln. Auf diese Weise werden Duftstoffe verteilt, die den anderen Bienen, die noch nicht in der Kiste sind, signalisieren, dass die Kiste ein brauchbares zu Hause ist und die Königin schon eingezogen ist. So folgen nach und nach alle Bienen in die Kiste. Ist die Königin aber nicht in der Kiste, zieht der Schwarm aus der Kiste aus und versammelt sich wieder bei der Königin. Oder im Holunder, weil es da noch nach der Königin riecht.

    Wir hatten allerdings Glück. Nach ein, zwei Stunden kamen wir in der Dämmerung zurück und konnten sehen, dass im Holunder nur noch wenige Bienen umherschwirrten. Stattdessen flogen sich schon um die Kiste herum die ersten Bienen des Schwarms ein. Sie hatten also die Kiste als neues Heim akzeptiert und begannen bereits, sich einzugewöhnen. Das Einfliegen dient dabei den Bienen, sich die Umgebung des neuen Wohnorts einzuprägen, damit sind den Weg zurück finden. Nach einem weiteren Plausch mit der Gartenbesitzerin und dem Besitzwechsel zweier Honiggläser packten wir uns die Kiste und brachten sie nach Hause.

    Der nächste Tag

    Der Schwarm war uns am Vortag schon sehr groß vorgekommen, daher schauten wir am nächsten Morgen lieber direkt in die Kiste, um zu sehen, ob er mehr Platz als den einen Brutraum benötigt. Und tatsächlich war es ein riesiger Schwarm. Die Kiste war proppenvoll, weshalb wir lieber direkt einen zweiten Brutraum aufsetzten.

    Wir imkern immer mit zwei Bruträumen, so die Völker zu stark für einen Brutraum werden. Das schmälert zwar etwas den Honigertrag, da durch die zwei Bruträume viel Platz für Honigkränze vorhanden ist. Aber aus unserer Sicht ist dies ein wesensgemäßerer Ansatz, als das Volk auf einen Brutraum zu quetschen, in dem gerade genug Platz für die Brut ist und bereits Pollen nicht mehr hineinpasst. Von Honig ganz zu schweigen. Wir verzichten lieber auf etwas Honig und hoffen, den Bienen so ein netterer Imker zu sein.

    Vier weitere Tage später

    Nach vier weiteren Tagen haben wir noch mal in die Kiste geschaut. So ein Schwarm ist ja immer etwas besonderes für uns, und da will man von Anfang an dafür sorgen, dass er es auch gut hat. Und bei einem so großen umso mehr. Also lupften wir den Deckel und wurden von einem sehr starken Volk überrascht. Der obere Brutraum war schon bis auf die beiden Randwaben ausgebaut und die mittleren Waben waren auch schon vollständig bestiftet. Das Volk hat also in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit die Mittelwände zu fertigen Waben umgebaut und auch die Königin ist bereits eifrig dabei, Stifte (wie die Bieneneier genannt werden) zu legen. Daher war der Entschluss schnell gefasst, bereits nach wenigen Tagen mit einem Honigraum zu erweitern. Zum einen können die Bienen so weiterhin ihrem Bautrieb nachgehen, zum anderen laufen wir dann nicht Gefahr, dass das Volk aus Platzmangel anfängt, den Brutraum zu verhonigen. So nennt man den Prozess, wenn das Volk keinen Platz für Honig hat und diesen dann in Zellen einlagert, die eigentlich für die Brut vorgesehen sind. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass keine neuen Bienen mehr heranwachsen können. Entweder schwärmt das Volk dann wegen Platzmangel, oder es geht irgendwann daran zu Grunde. Denn um ein Volk am Leben zu erhalten, ist eine gewisse Menge an Bienen nötig. Sind es zu wenige, geht es ein.

    Netter Nebeneffekt dieser Erweiterung mit einem Honigraum ist auch, dass der Honig später auch geerntet werden kann. Und so sind wir nun trotz des schlechten Starts guter Hoffnung, dass wir in diesem Jahr noch etwas Honig ernten können.

    Auch scheint die Königin eine sehr freundliche Genossin zu sein. Auf der ersten Brutwabe lief sie uns direkt über den Weg, sodass wir sie umgehend gefangen und gezeichnet haben. Dabei wird die Königin farbig markiert. Manche Imker nutzen einen Lackstift, wir kleben ein farbiges Plättchen mit etwas Schellack, also einem natürlichen Kleber, auf den Rückenpanzer der Königin. Diese farbige Markierung erleichtert dem Menschen, die Königin schnell zu finden und somit zu wissen, dass das Volk noch weiselrichtig ist, also eine Regentin hat. Außerdem wird je nach Jahreszahl eine andere Farbe gewählt, womit man direkt das Alter der Königin bestimmen kann.

    Und nun lassen wir dem Schwarm ein paar Tage Ruhe, um sich einzuleben. In neun oder zehn Tagen schauen wir dann wieder hinein und freuen uns hoffentlich ob des starken und gesunden Volks.

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  2. Was für ein Mai

    Hatten wir Ende April noch die Hoffnung, dass es bald bergauf geht, so müssen wir nun leider konstatieren, dass das kalte und nasse Frühjahr noch einige Wochen länger angedauert hat. Erst Ende Mai ließen die Regenfälle soweit nach, dass die Bienen über längere Strecken ausfliegen konnten. Auch gab es noch bis Ende Mai Nachtfröste, was einen hohen Energieaufwand erfordert, um die Brut auf Temperatur zu halten. Daher kam es sogar dazu, dass wir Anfang Juni die Völker füttern mussten, denn sie hatten keine Futterreserven mehr im Stock.

    Die Situation ist durch das sehr warme Winterende bedingt. Sonnige Tage im Februar ermöglichen es den Bienen, zu Reinigungsflügen aufzubrechen und Pollen zu sammeln. Damit ist das Volk gut gerüstet für einen schnellen Brutbeginn. Viel Brut in den Völkern sorgt für viele Bienen, wenn die Blütezeit im Frühjahr beginnt. Wenn aber, wie in diesem Jahr, das Wetter nass und kalt ist, können die Bienen nicht ausfliegen, um Nektar zu sammeln, sondern müssen stattdessen die Brut wärmen, damit sie nicht erfriert. Statt also Nahrung einzutragen und zu bevorraten, werden die Vorräte aufgezehrt, um zu heizen.

    Dies hat tatsächlich dazu geführt, dass wir Anfang Juni die Völker füttern mussten. Das erste Volk hatte alle Reserven aufgebraucht und bei den anderen waren auch nur noch kleine Mengen Futter zu finden. Glücklicher Weise haben wir ein Auge auf den Futterverbrauch gehabt und konnten so noch rechtzeitig gegensteuern.

    Eigentlich will man die Bienen in der aktuellen Jahreszeit nicht füttern. Zum einen waren die Tage schon wieder wärmer und wir hatten die Hoffnung, dass die Bienen selbst genug finden würden. Wenn man aber füttern muss, ist es schwierig, nur einige Völker an einem Stand zu füttern, denn der Futtersirup kann andere Völker zur Räuberei verleiten. Daher sollte man alle Völker an einem Stand gleichzeitig füttern. Hat aber ein Volk noch sehr viel Futter im Stock und wird dann gefüttert, wird das Futter nicht zum schnellen Verzehr brutnah eingelagert, sondern kommt als langfristige Reserve in den Honigraum. Lebensmittelrechtlich betrachtet, würde damit allerdings der Honig verunreinigt. Denn diesem darf nichts hinzugefügt werden, also auch kein Futtersirup. Daher ist es für Imkereien, die Honig ernten möchten, eine Gratwanderung, wann gefüttert wird. Zu frühes Füttern verhindert die Honigernte, zu später Füttern lässt die Bienen verhungern. Da unsere Betriebsweise nicht auf maximalen Honigertrag ausgelegt ist, gehen wir lieber kein Risiko ein. Nicht zuletzt auch aus Respekt vor dem Lebewesen Bienenvolk.

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